Dienstag, 23. Oktober 2012

Wirtschaft in Aserbaidschan: Gespräch mit Dr. Gubad Bayramov

Baku, 23. Oktober 2012

Am dritten Tag der Reise war die Gruppe zu Gast im Economic Research Center in Baku und traf dessen Leiter, Dr. Gubad Ibadoglu. Ibadoglu referierte über die Wirtschaftsstruktur in Aserbaidschan (AZ), vor allem des Ölsektors, und erläuterte die Gründe für die, nach seiner Einschätzung, schlechten Zukunftsaussichten.
Dr. Gubad Ibadoglu im Economic Research Center (Foto: bpb)
Ein Protokoll von unserer Reiseteilnehmerin Daniela Schröder
  • „Wegen der Abhängigkeit vom Öl ist die AZ-Wirtschaft wie ein Mensch, der nur auf einem Bein steht. Wir stehen schon seit Jahren auf nur einem Bein und seit zwei, drei Jahren schwanken wir.“
  • 2010 nur 0.1% Wirtschaftswachstum – die niedrigste Rate der vergangenen 15 Jahre. Offizielle Erklärung: Es wurde weniger Öl (und auch Gas) gefördert. Doch: Das Staatsbudget steigt, der Öl-Fonds wächst. So entsteht eine Schere zwischen konstanten Ausgaben und schrumpfenden Einnahmen.
  • Um die steigenden Ausgaben finanzieren zu können, müsste sich AZ andere Industrien aufbauen. Derzeit jedoch keine Wettbewerbssituation (Marktbarrieren für Importe, Kreditzins von 30 Prozent, keine internationalen Banken).
  • Öl-Produktion nahm seit 1991 anhaltend zu, Öl und Ölprodukte machen 93 Prozent des Exports aus. 2011 stammten 35 Prozent des BIP aus dem Öl-Sektor.
  • AZ hat insgesamt bereits 55 Prozent der bisherigen Öl-Erlöse ausgegeben. 2011 wurden
    mehr als 60 Prozent der Öl-Gelder ausgegeben, 2012 dürften es fast 80 Prozent sein.
  • 75 Prozent der Öl-Einnahmen bekommt SOCAR (= die Regierung), 25 Prozent die internationalen Konzerne. Regierung kritisiert BP derzeit wegen fallender Fördermengen. Doch warum sollte BP weniger fördern als möglich? Kritik von Alijew sei daher Quatsch. Problem: Prognosen über Ölvorkommen schwierig.
  • Satte 45 Mrd. US-Dollar flossen bisher in das Aufhübschen von Baku, die Bauarbeiten in der Stadt fressen fast die Hälfte des Staatsbudgets. „Unser Staatsbudget wird ausgeraubt.“
  • Elf Monate des Jahres bewegt sich das Budget im normalen Rahmen, im Dezember schießt es um das Doppelte hoch – die Hälfte der veranschlagten Summe wird tatsächlich ausgegeben, der Rest fließt in private Taschen. Zudem: über das Jahr hinweg wird das Budget sparsam ausgegeben, am Ende wird es aufgeteilt, nichts wird ins kommende Jahr übertragen.
  • Zugang zu makroökonomischen Daten kein Problem, Mikro-Daten jedoch kaum zu bekommen. Bsp.: Steuern gelten als Geschäftsgeheimnis, man weiß daher nicht welches Unternehmen die meisten Steuern zahlt. Gleichzeitig ist die Anonymität von Firmengründern gesetzlich geschützt. Gesetz wurde erlassen als öffentlich wurde, dass die meisten Neugründungen zu Mitgliedern des Alijew-Clans gehören.
  • AZ-Börse spielt keine Rolle. Gründe: a) finanzielle Lage der Firmen soll geheim bleiben. b) für die Entwicklung des Marktes gibt es keinen Freiraum. Auch SOCAR ist nicht börsennotiert.
  • „Die Perspektive sieht eher düster aus.“

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