Sonntag, 1. Mai 2011

Die ersten Tage - 29.04. – 30.04.


Eines ist sicher: viel Schlaf werde ich während dieser Reise nicht bekommen! Zwar mag das Frühstück um 5:45 Uhr früh vor dem Abflug aus München eher eine Ausnahme sein, doch schon gleich nach dem Vorbereitungsseminar am ersten Tag wurde mir klar, dass die Tage mindestens um ein Paar Stunden zu kurz sind. Nicht nur weil das Programm so kompakt ist, sondern auch weil man mehr Zeit "danach" bräuchte, um all das zu verdauen, was man während des Tages gehört oder erlebt hat.

Die Gruppe
Wie immer, fing die Studienreise der bpb mit einem eintägigen Vorbereitungsseminar an, das in einem Hotel in der Nähe vom Münchener Flughafen stattfand. Da uns die Liste der Teilnehmer schon vorab verschickt wurde, wusste ich, dass fast die Hälfte der Gruppe aus Berlin kommt. Die anderen aus allen Teilen Deutschlands. Auch dieses Mal freute ich mich schon auf die Vorstellungsrunde. Ich war neugierig auf die Menschen, mit denen ich die nächsten zwölf Tage verbringen sollte. Wer sind sie? Was machen sie? Und vor allem: was bewegt sie bei dem Thema der Reise? Dabei gewinnt man doch immer wichtige Anhaltspunkte für erste persönliche Gespräche und Kontakte. Das bestätigte sich schon bei der ersten Kaffeepause. 
Heinrich Bartel erläutert das Programm
Alle scheinen sehr motiviert zu sein, das verspricht eine zusätzliche Bereicherung. Die von uns, die zum ersten Mal nach Israel fahren (und das sind etliche), platzen fast vor Aufregung. Für sie wird der erste Zusammenstoß mit dem Land und den Menschen ganz sicher zu einem besonderen Erlebnis werden. Seitens der Bundeszentrale für politische Bildung werden wir von einem erfahrenem Leitungsteam begleitet: Dr. Heinrich Bartel, Hanna Huhtasaari und Melanie Rapsilber. Sie sind professionell, nett, lustig und zuvorkommend. Und halten alles fest im Griff!

Die Vorträge
Nach der Kaffeepause wird´s ernst. Schon der erste Vortrag widmet sich einem der kompliziertesten Themen der Region: dem israelisch-palästinensischen Konflikt. In 1,5 Stunden versucht Dr. Sabine Hofmann von der Arbeitsstelle Politik des vorderen Orients an der FU Berlin uns die Ursachen, den Verlauf und den aktuellen Stand des Konflikts zu erläutern. Ein Thema, das sich eigentlich in so kurzer Zeit weder erklären, noch richtig verstehen lässt. Manche von uns verlieren dabei den Faden, andere dagegen finden den Vortrag sehr aufschlussreich. Die Fragen danach gelten vor allem den aktuellen Geschehnissen im Gazastreifen und im Westjordanland (d.h. dem Abkommen zwischen Hamas und Fatah), der politischen Lage in den arabischen Ländern (besonderes in Libyen und Syrien) und natürlich den Perspektiven des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses. Uns ist klar, dass dieses Thema – genauso, wie das Thema des Holocausts – uns die ganze Reise über begleiten wird. 

Der erste Vortrag, noch in München
Nach diesem Einstieg erschien das Thema „zum Stand und Perspektiven der deutsch-israelischen Beziehungen“ viel leichter. Der Referent, Grisha Alroi-Arloser, Geschäftsführer der israelisch-deutschen Industrie- und Handelskammer, beschrieb sie auch anhand der eigenen Biographie. Alroi-Arloser, der nach dem Abitur aus Deutschland nach Israel ausgewandert ist, sieht diese Beziehungen aus der israelischen Perspektive und seine Einschätzungen sind alles andere, als rosig. Mit Bedauern und Beunruhigung beobachtet er seit Jahren eine kontinuierlich sinkende Popularität Israels bei den Deutschen, besonders bei der jungen Generation, was auch zahlreiche Umfragen bestätigen, sagt er. Wohingegen Deutschland bei jungen Israelis immer beliebter werde. Generell sieht er dringenden Handlungsbedarf. Seiner Meinung nach liege das Problem darin, dass der europäische „Antikriegs-Blickwinkel“ mit der Forderung „Nie wieder Krieg“ einfach nicht zu der israelischen Realität passe. Hier seien andere Narrative notwendig. Und so landen wir wieder bei dem Konflikt…
Nachgespräch. Grisha Arloi-Arloser und Mischa Franke

Am nächsten Morgen im Münchener Flughafen: eine sorgfältige Sicherheitskontrolle. Mein Laptop wird überprüft. „Es dauert eine Minute“, sagt der Sicherheitsbeamte. „Macht nichts, ich habe Zeit. Besser eine Minute länger, als eine zu kurz“, antworte ich und wir lachen. Dann noch genaues Abtasten mit einem piepsenden Gerät. Ich muss meine Schuhe ausziehen und sie werden durchleutet. Fertig! 
 
Willkommen in Tel Aviv: Kati begrüßt die Gruppe
Wir landen in Tel Aviv bei bedecktem Himmel – ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Den Ben Gurion Flughafen erkenne ich kaum wieder. Seit meinem letzten Besuch hier wurde er mächtig ausgebaut. Nach der Passkontrolle sind wir schon in der Haupthalle, wo Kati uns mit einem Schild mit bpb-Logo erwartet. Im Bus zum Hotel begrüßt uns Hannelore Fruchter, einfach Hanni genannt - in Israel duzen sich alle. Schabbat shalom! Sie wird unsere Reiseführerin sein. Nach einer kurzen Einführung in das Programm der nächsten Tage und dem Abendessen, führt sie uns noch durch den älteste Stadtteil Tel Avivs, Neve Tzedek. 

Hanni kennt jeden Stein in  Neve Tzedek
Inzwischen ist der Schabbat zu Ende, die Straßen, Cafés und Kneipen füllen sich langsam, hauptsächlich mit jungen Menschen. Wir laufen durch die schmalen Gassen des Nevi Tzedeks mit den alten niedrigen Häusern, hinter ihnen ragen moderne Wolkenkratzer in den Himmel und wir versuchen uns das Leben der Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts vorzustellen. Hanni kennt dort jeden Stein, erzählt die Geschichten der Menschen, die dort gewohnt und gearbeitet haben. An einem Haus bleiben wir stehen. Durch das offene Fenster sehen wir orthodoxe Männer, die singen, tanzen und lachen. Es ist eine kleine Synagoge der Mizrachim – orientalische Juden, die Havdala, das Ende des Schabbat und den Anfang der neuer Woche feiern. Am Ende gelangen wir an einen alten Bahnhof.
 
Tel Avivs erster Bahnhof
Das war der erste Bahnhof in Tel Aviv auf der Strecke, die von Jaffa nach Jerusalem führte. Heute dient das sorgfältig und geschmackvoll renovierte Gelände als Vergnügungsviertel, voll mit kleinen Kneipen und tollen Geschäften. Wir möchten gerne noch dort bleiben, aber es ist spät geworden. Und alle sind müde. Es war ein langer Tag.

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